Aufmerksamkeit braucht den „Torwächter unserer Wahrnehmung“
Zu Beginn einer Förderstunde stehen in meiner Praxis fast alle Kinder und Jugendlichen auf einem Balancebrett und üben dort an verschiedene Koordinationsaufgaben.Dieses Ritual hat sich seit einigen Jahren bewährt, weil es die Aufmerksamkeit für das anschließende Lernen merklich fördert. Im Folgenden gibt es eine Erklärung für diesen Zusammenhang und weitere Hinweise auf Möglichkeiten, unsere Aufmerksamkeit zu verbessern.
Um gut lernen zu können, müssen wir aufmerksam sein. Wir brauchen ein bestimmtes Aufmerksamkeitsniveau – einen Zustand, in dem wir Informationen gut aufnehmen und verarbeiten können. Dieses Aufmerksamkeitsniveau ist keine feste Größe, sondern schwankt im Laufe des Tages. Ob wir ausgeschlafen oder müde sind, beeinflusst unsere Aufmerksamkeit sehr.
In jeder Sekunde des Lebens strömen unzählige Reize auf uns ein. Dazu zählt alles, was wir sehen, hören, riechen, aber auch die Wahrnehmung aus unserem Körper wie Emotionen, Temperatur oder Schmerz. Auch die Lerninformationen kommen letztlich als eine große Menge Sinnesreize zusätzlich auf uns zu. Unser Grad an Wachheit und die einströmenden Reize und ihre Aufnahme stehen in einem Zusammenhang. Ist unsere Aufmerksamkeit nicht genügend aktiviert, so bekommen wir etwas Wichtiges unter Umständen gar nicht mit. Das ist die typische Situation, wenn ein Schüler im Unterricht träumt. Erleben wir einen für uns relevanten Reiz, etwa ein grelles Licht oder einen plötzlichen Schmerz, so sind wir sofort hellwach und aufmerksam. Bestimmte Stimuli versetzen uns in einen aktivierten Zustand. Würde das Handy in der Tasche des träumenden Schülers vibrieren, so würde dieser Reiz seine Aufmerksamkeit wahrscheinlich sofort auf sich ziehen. Aber längst nicht alle Reize sollen unser Bewusstsein erreichen. Wie gut, dass die meisten von unserem Gehirn einfach ausgeblendet werden, unsere Wahrnehmung wäre sonst völlig überfordert. Das Gehirn filtert also ständig, was wir wahrnehmen und was nicht. Je höher unser Aufmerksamkeitsniveau ist, umso besser gelingt es aber auch, unwesentliche Reize auszublenden. Erst dann können wir uns auf etwas konzentrieren.
Der Filter für alle Sinneseindrücke
Dieser Filter, der unser Aufmerksamkeitsniveau reguliert, wird vom sogenannten Retikulären Aktivierungssystem (RAS) gesteuert. Das RAS ist ein Teil des Gehirns, der sich tief im Hirnstamm befindet und wie ein "Torwächter" arbeitet: Es entscheidet, welche Reize wichtig sind und ins Bewusstsein gelangen und welche ignoriert werden.
Besonders gut wird das RAS durch Impulse aus dem Gleichgewichtssystem und der Eigenwahrnehmung des Körpers bei Bewegungen aktiviert. In der Folge steigt das allgemeine Aktivierungsniveau und die Aufmerksamkeit lässt sich besser steuern. Auch damit das RAS während der frühkindlichen Entwicklung vollständig ausreift, ist es auf solche Impulse angewiesen. Das Kind erhält sie schon während der Schwangerschaft über die Bewegungen der Mutter und später im Säuglingsalter durch das Wiegen und Tragen.
Gleichgewichtstraining fördert die Aufmerksamkeit
Wenn man sich auf einem Balancebrett bewegt, wird das RAS optimal aktiviert. Dieses Bewegungstraining "weckt" das Gehirn auf, was eine gute Vorbereitung auf die bevorstehende Lernarbeit ist. Diese Zusammenhänge lassen sich leicht auch zu Hause nutzen, immer wenn Aufmerksamkeit nötig ist. Zum Balancieren und für Koordinationsübungen gibt es viele Möglichkeiten.
In der Praxis erlebe ich häufig Kinder, die ihre Aufmerksamkeit generell nicht gut steuern können. Hierbei können natürlich sehr viele Faktoren wie Erziehung, Medien- oder Schlafverhalten eine Rolle spielen. Hier sollte man zuerst ansetzen und ungünstige Bedingungen verbessern. Schwierigkeiten können aber auch bereits in der Schwangerschaft oder frühen Kindheit beginnen, wenn die Bewegungsentwicklung, und in der Folge die Aktivierung und Ausreifung des RAS, aus vielen verschiedenen Gründen eingeschränkt ist.
Lösungen für Probleme mir der Aufmerksamkeit
Dann gibt es vor allem zwei Methoden, mit denen ich auf Grundlage der beschriebenen Zusammenhänge gerne arbeite.
Das RAS und verbundene Gehirnbereiche können mit der Neurokinesiologie gezielt angesteuert und von Stress befreit werden. Dazu gibt es verschiedene Balanceabläufe. Diese Arbeit findet in etwa einstündigen Sitzungen bei mir in der Praxis statt.
Im Rahmen der Reflexintegration, einem Programm zum Nachreifen unvollständiger neuro-motorischer Entwicklung gibt es passive Übungen. Sie werden nach einer Anleitung in der Praxis zu Hause durchgeführt. Das ist schon mit jüngeren Kindern, aber genauso gut mit älteren und auch mit Erwachsenen möglich und wohltuend. Angenehme feine, rhythmische Bewegungen geben feine Impulse an das RAS. Die Idee dahinter ist, dass durch die regelmäßige Anwendung über einige Wochen eine Art Nachreifung des Aktivierungssystems stattfindet.
Selbstverständlich ist das Thema Aufmerksamkeit und Konzentration noch viel umfangreicher. Hier ist zunächst die unterste Verarbeitungsebene im Gehirn, das Retikuläre Aktivierungssystem, unser „Torwächter“ für die Wahrnehmung beschrieben.
Hat Ihr Kind Probleme mit der Aufmerksamkeit? Lassen Sie sich beraten und vereinbaren Sie gerne einen Termin. An Aufmerksamkeit und Konzentration kann man auch im Erwachsenenalter arbeiten. Auch dazu berate ich Sie gerne.
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